Wilhelm Elling
Unter den deutschen Familiennamen verbergen sich zahlreiche bekannte Berufsbezeichnungen wie Schmied, Bäcker, Müller, jedoch auch vergessene Berufe wie Schulte oder Schlüter.
Die Bezeichnung Schlüter kommt von schluuten (=schließen), weil er wie ein Pförtner die Pforte oder das Tor öffnete bzw. schloss.
Im adeligen Stift Langenhorst arbeiteten im 17. und 18. Jahrhundert ca. 60 Angestellte für etwa 10-12 adelige Stiftsjungfern oder Kapitularinnen. Zu den Privilegien des Adels gehörte nicht nur die Freiheit von Steuern und Abgaben, sondern auch die Vermeidung jeglicher körperlicher Arbeit. Dafür hatte man das so genannte Personal. Darunter gab es Kammerjungfern, Mägde, Baumeisterr, Vogt, Jäger, Kutscher und eben auch einen Schlüter oder Beschliesser.
Die meisten Angestellten wurden nach alter Art in Absprache mit den Eltern durch Handschlag auf Treu und Glauben verpflichtet, aber der Kaplan, der Amtmann der Vogt und der Schlüter wurden im 17. Jahrhundert mit einem Vertrag angestellt.
So geschah es auch im Jahre 1625 unter der Äbtissin Adolpha Droste zu Vischering (1624-1653), als „Henrich Rotgerinck zum Diener und Schlüter angenommen“ wurde. Der vom Notar Theodor Recke verfasste Vertrag ist im Stiftsarchiv erhalten. Als Zeugen waren der Langenhorster Pastor Hermann Hoet und der Amtmann des Stifts Stephan Ducker zugegen. Die Aufgaben des Schlüters wurden genau angegeben: Backen, Brauen, Korn ausmessen, Zugbrücke bedienen, den Stiftsfrauen „mit Schlachten und anderen fürfallenden Sachen behülflich sein, das Backholz zu rechter zeit aufreiden, die Leute so alhie pfachtpflichtigh oder sonsten verhaft im Fall der Mißbezahlung mit pfanden und executieren helfen..“ usw. So der Text im Vertrag.
Es blieb also keineswegs beim abendlichen Aufziehen der Zugbrücke. Eine solche Zugbrücke kann man noch an den Gräften in Haus Welbergen oder auf der Burg Gemen bei Borken sehen.
Vor dem Aufziehen hatte der Schlüter dafür zu sorgen, dass die frei laufenden Hunde und Schweine aus dem Stiftsbezirk vertrieben wurden. Dieser war ursprünglich viel größer als es heute den Eindruck macht. Seit Mitte 19. Jahrhundert trennt nämlich die ehemalige B 54 den Wirtschaftsteil des Stifts mit dem Bauhaus und den Scheunen von Kirche und Abtei ab. Der gesamte Bezirk war von Wasser umgeben: von der Vechte, vom Fischteich und einer Gräfte.
Die Arbeit des Backens[1] begann keineswegs mit dem Heizen des Backofens, zuvor musste das geeignete Backholz gesägt, gehackt und gestapelt werden. Traditionell nahm man zum Backen weder Eiche noch Buche sondern Erlenholz, weil es eine milde Hitze abgibt. In der Regel wurde im Stift Langenhorst alle drei Wochen gebacken.
Gebraut wurde dagegen alle 14 Tage[2], denn im 17. Jahrhundert trank man weder Tee noch Kaffee, sondern gewöhnlich verschiedene Sorten Bier, vor allem das sog. Bäckerbier und Koit. Dazu wurde Gerste geröstet oder gemälzt. Das geschah auf einer Darre oder Eeste.[3] Hopfen wuchs wild und musste gesammelt und getrocknet werden. Doch man konnte ihn auch in einem Hopfengarten mit hohen Stangen anbauen und ernten, eine aufwändige Arbeit. Natürlich konnte man Hopfen auch kaufen.
Die sonstigen Arbeiten des Schlüters kamen unregelmäßig vor: Der Vogt brauchte einen Helfer oder Zeugen, wenn er einen säumigen Zahler pfänden musste. Die Fische im eigenen Teich mussten geangelt und ausgenommen werden. Die bei der Jagd erlegten Tiere waren zu häuten und zu zerlegen für die Küche. Und als Kellner bei Tisch konnte man den Schlüter auch bitten. Der Schlüter durfte ebenso wie alle anderen Angestellten nicht sagen: Das gehört nicht zu meinen Aufgaben. Er war eigentlich eine Art Faktotum oder wie die Mundart im Münsterland sagt: ein Allsmääker.
Der Arbeitsvertrag regelte auch den Lohn: An barem Geld waren pro Jahr 9 Taler vereinbart, dazu ein Taler für zwei Paar Schuhe. Außerdem waren freie Kost und Logis ein üblicher Teil des Lohns. Im Stift Asbeck gab es dafür drei verschiedene freie Tische: Pfarrer und Amtmann aßen am Tisch der Äbtissin, am Bäckertisch aßen die Handwerker, und die Knechte und Mägde aßen am Baumeistertisch im Bauhaus.[4]
Die Bezahlung entsprach in etwa der des Vogts, der polizeiliche Aufgaben im Stift erledigte, oder der eines Küsters bzw. Dieners.
Im Falle der Kündigung – die Kündigungsfrist betrug ein halbes Jahr - wird im Vertrag von einer Parzelle gesprochen, die zurückgegeben werden musste. Dabei wird nicht deutlich, ob es sich um einen Garten handelt und auch nicht, ob der Angestellte eine Familie hatte. Die meisten Knechte und Mägde im Stift waren offenbar ledig und wohnten entweder im Bauhaus oder in einer Kurie.
Henrich Rotgerinck wird am 13. Januar 1625 angestellt und kündigt bereits ein Jahr später. Denn am 16. Mai 1626 wird Gerd Everding mit dem gleichen Vertrag als Schlüter vereidigt.
Im Stiftsarchiv Langenhorst findet sich nur ein weiterer, sehr ähnlicher Anstellungsvertrag aus dem Jahre 1638? [5] für den Schlüter Gerd Schürhoff.
Zugbrücke Bilder HV/Bilderallerlei/ Haus Welbergen/ 1445
[1] Nach Fürstl. Archiv Coesfeld 3-22-94 wurde alle drei Wochen gebacken. Vgl. auch G. u. W. Elling, Haus- und Arbeitsgerät. Vreden 2002, S. 145-153.
[2] Wie Anm. 1 und Elling, Haus- und Arbeitsgerät, S. 239- 247.
[3] Vgl. Elling, Haus-und Arbeitsgerät, S.241.
[4] Das Bauhaus war nicht für Bauten zuständig, wie man denken könnte, sondern für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten. Es enthielt auch Schlafräume für die Knechte.
[5] Fürstl. Archiv Coesfeld L 140.
De Pättkeslüe | Denkmalpflege | Heimatkunde | Brauchtumspflege | Radfahren und Reisen | Senioren |