Der Bauer als Bierbrauer
- Helmut Elsner -
Die Arbeit in der Landwirtschaft machte natürlich hungrig und durstig. Nur wer gut aß und trank, konnte in der Erntezeit die besonders schwere Arbeit schaffen. Bis kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert war im nördlichen Münsterland auf vielen Höfen selbstgebrautes Bier das Hauptgetränk.
Das Essen lieferte die eigene Landwirtschaft und auch die Getränke wurden früher auf jedem Hof selbst erzeugt. Milch, Magermilch und selbstgebrautes Bier waren seit Jahrhunderten die Durstlöscher.
Wenn wir von einem täglichen Bierkonsum von fünf Litern Bier aus dem Spätmittelalter und den folgenden Jahrhunderten hören, müssen wir bedenken, daß das Bier, das in dieser Zeit gebraut wurde, nicht so alkoholhaltig war wir das heutige Vollbier. In der Regel lag der Alkoholgehalt je nach Höhe der Stammwürze (Malz und Hopfen) bei 0,5 % bis 2 %. Man konnte also durchaus einige Liter davon trinken, ohne „Schaden“ zu nehmen.
In der 2. Hälfte des vergangenen Jahrhunderts verbreitete sich auf dem Lande das „Kaffee-trinken“, vor allen Dingen an Festtagen. Aber der Bohnenkaffee war kein „Durstlöscher“, sondern ein Genußmittel und weitgehend den Frauen vorbehalten. Kaffeebohnen waren relativ teuer, und welcher Bauer gab so schnell das sauer verdiente Geld aus, wenn er selbst nach alter Tradition „Durstlöscher“ herstellen konnte. Das erwirtschaftete Bargeld mußte für notwendigere Dinge ausgegeben werden. 1887 kostete 1 kg Kaffeebohnen 2,80 bis 3,00 Goldmark. Das entsprach in etwa dem Verkaufspreis von 40 kg in mühsamer Arbeit erzeugten Roggens guter Qualität.
Gebraut wurde auf vielen Höfen oft mehrmals im Jahr. Das außerhalb der kalten Jahreszeit gebraute Bier hielt sich aber nicht sehr lange und mußte deswegen bald getrunken werden.
Die Hauptbrauzeit war aber das Frühjahr, so um Ostern herum. Was brauchte man zum Bierbrauen? Malz (in der Regel aus Gerste), Hopfen (die weiblichen Dolden), Hefe, viel Wasser und natürlich verschiedene Gefäße.
Die Gerste wurde auf dem gesäuberten Speicherboden oder in einem großen Bottich mehrmals angefeuchtet, denn so wurde sie zum Keimen gebracht. Danach wurde sie in einer Esse über dem Rauchfang gedörrt. Durch kräftiges Einheizen wurden die gekeimten Gerstenkörner richtig trocken gedarrt und ganz leicht gebräunt. Danach wurden die Malzkörner in der Mühle geschrotet.
Hopfen wurde oft im Garten angebaut, aber er war auch als wilder Hopfen in den Wallhecken zu finden. Der Hopfen wurde im Herbst geerntet, getrocknet und bis zum Frühjahr bzw. bis zum Brauen aufbewahrt.
Vor dem eigentlichen Brauvorgang wurden die Bierfässer gereinigt und ausgeschwefelt. Sodann wurde das Malz in einem Bottich mit ausreichend Wasser eingeweicht.
Am Brautag wurde ein großer Kessel ständig geheizt, denn den ganzen Tag über wurde viel kochendes Wasser benötigt. Einige Bottiche standen bereit, um die gewünschte Menge Bier zu erhalten. War das Malz ausreichend eingeweicht, wurde das Einweichwasser abgegossen. Nun wurde auf die Malzmasse kochendes Wasser geschüttet und diese heiße Masse umgerührt, es wurde „gemaischt“.
War diese Arbeit geleistet, wurde die Flüssigkeit, die sich auf der Maische gebildet hatte, der Sud, in einen anderen Bottich gefüllt. Nach dem Maischen kam der Hopfen in den Sud, und dieser gehopfte Sud wurde nochmals aufgekocht. Nach dem Aufkochen mußte die Flüssigkeit sich wieder abkühlen. Jetzt wurde die Bierhefe beigefügt. Nach einiger Zeit wurde das gebraute Bier nach dem Aussieben des Hopfens in Fässer gefüllt. Begann nun das Bier in den Fässern zu gären, trat aus dem offenen Spundloch ein Teil des in Gärung befindlichen Biers heraus. Deshalb mußte es in Schalen oder sonstigen Gefäßen aufgefangen werden. War die Gärung etwas zur Ruhe gekommen, wurde das aufgefangene Bier wieder in das Faß gegeben.
Nach ein bis zwei Wochen war das Bier zur Ruhe gekommen, und es konnte getrunken werden. Besser war es allerdings noch ein oder zwei weitere Wochen zu warten, bis sich die Hefe ganz abgesetzt hatte.
Zur Heuernte und während der Getreideernte stillte dieses selbstgebraute Bier dann als „Erntebier“ den Durst der vielen Erntearbeiter. Die Maische wurde nicht weggeschüttet, sie gab ein ausgezeichnetes Viehfutter ab. Mensch und Tier bekamen somit ihren Teil.
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