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Der Münzfund in der "Germania"

Von Helmut Elsner

Wie bei jedem herausragenden Bauwerk in der Vergangenheit üblich, wurden auch bei der Errichtung der "Germania" am Bergtor in Ochtrup im Jahre 1887 Dokumente aus der Errichtungszeit in den Sockel eingemauert. Neben einer Urkunde über die Errichtung und verschiedene Zeitungen aus jenen Tagen, fand man einen Fahrplan für das Winterhalbjahr 1887/88 und Münzen, die im Errichtungsjahr im Umlauf waren.

Es war die Zeit, als Kaiser Wilhelm I. das Deutsche Reich regierte. Die Einigung Deutschlands, die "Kleindeutsche Lösung" ohne Einschluss Österreichs, war erreicht. Diese Einigung spiegelte sich auch im Geldwesen wider. Während vor der Errichtung des Deutschen Kaiserreichs im Jahre 1871 das Geldwesen Aufgabe einzelner Länder war, und wenn sie auch noch so klein waren, wie z.B. Schaumburg-Lippe, ein Fürstentum mit 340 qkm und 32.000 Einwohnern, wurde nun das Deutsche Kaiserreich der Münzherr.

Ab 1871 wurden Reichsmünzen im Werte von 1 Pfennig bis 1 Mark einheitlich geprägt. Nur bei höheren Werten von 2 Mark bis 20 Mark hatten die im Deutschen Reich zusammengefassten Länder und die freien Hansestädte das Recht, auf der Rückseite den jeweils regierenden Herrscher bzw. ihr Stadtwappen zu prägen, während auf der Vorderseite immer der Reichsadler zu sehen war, denn der Münzherr war ja das Deutsche Reich.

Im Sockel der Ochtruper "Germania" waren folgende Münzen eingemauert:

Wert

Prägej.

Prägeort

Material

Durchm.

1 Pfennig

1887

A

Kupfer

1,8 cm

2 Pfennige

1875

A

Kupfer

2,1 cm

5 Pfennige

1875

A

Kupfer-Nickel

1.8 cm

10 Pfennige

1876

F

Kupfer-Nickel

2.1 Cm

20 Pfennige

1874

A

Silber

1,6 cm

20 Pfennige

1887

J

Kupfer Nickel

2.3 cm

1 Mark

1887

A

Silber

2,4 cm

Es handelt sich nur um sogenannte Scheidemünzen. Im Deutschen Reich galt ab 1873 die Goldwährung. Die Währungsmünzen waren das Vielfache einer Goldmark, und zwar 5 Mark, 10 Mark und 20 Mark. Der Materialwert der Münze und die Prägekosten ergaben in etwa den jeweiligen Nennwert. Es waren vollwertige Kurantmünzen. Die Silbermünzen zu 5 Mark, 2 Mark, 1 Mark , 50 Pfennig und später die ab 1908 geprägten 3 Mark sowie die bis1877 in Silber geprägten 20 Pfennigstücke waren Scheidemünzen, obwohl sie im laufenden Geldverkehr als Kurantgeld angesehen wurden. Ihr Materialwert zuzüglich der Prägekosten entsprach fast dem Nennwert der Münzen.

Ein- bis Zehnpfennigstücke sowie die ab 1887 geprägten Zwanzigpfennigstücke waren Scheidemünzen, bei denen der Materialwert und die Prägekosten erheblich niedriger als der Nennwert lagen. Scheidemünzen dienten zum Zahlungsausgleich.

Neben den Münzen gab es auch bereits Banknoten. Bei der vorhandenen Goldwährung bestand für die Notenbank die Verpflichtung, Papiergeld jederzeit gegen Goldstücke bzw. Goldbarren einzutauschen. Erst ab 1910 konnte ein Gläubiger die Zahlung einer Schuld in Banknoten nicht verweigern. Die dem Nennwert nach niedrigsten Geldstücke (1 und 2 Pfennig) bestehen aus Kupfer und wiegen 2,0 g bzw. 3,3 g. Die Vorderseite zeigt den Reichsadler und beiderseits des Schwanzes das Münzzeichen der Münzstätte, die die Münze geprägt hatte. Der Buchstabe "A" ist das Zeichen der Münzstätte Berlin. Die Rückseite zeigt die Wertangabe und das Prägejahr. Insgesamt wurden ca. 377 Millionen der 1-Pfennigstücke und ca. 312 Millionen der 2-Pfennigstücke geprägt.

Medailleur beider Münzen war Emil Weigand (geb. 1837 und gest. 1906 in Berlin). Er war einer der bedeutendsten Münzstempelschneider und Medailleur seiner Zeit. Der Absolvent der Berliner Kunstakademie arbeitete zeitweise im berühmten Atelier von Wyon in London und war seit 1866 an der Berliner Münze tätig. Nach kurzer Zeit wurde er bereits 2. Medailleur und nach Friedrich Willhelm Kullrichs Tod im Jahre 1887 wurde er Hauptmedailleur. Neben vielen Münzen des Deutschen Reiches (auch höhere Werte) schuf er Münzbilder für viele andere Staaten und außerdem modellierte er viele künstlerisch schöne Medaillen für die verschiedensten Anlässe.

Das 5-Pfennigstück aus einer Kupfer-Nickellegierung hat ein Gewicht von 2,5 g und stammt ebenfalls aus der Münzstätte Berlin. Medailleur der Vorderseite ist ebenfalls Emil Weigand, während die Rückseite von Friedrich Wilhelm Kullrich gestaltet wurde. Die Prägezahl der 5-Pfennigstücke betrug ca. 267 Millionen.

Friedrich Wilhelm Kullrich , geb. 1821 in Dahme und 1887 in Berlin gestorben, war gelernter Schmied und erhielt im "zweiten Bildungsweg" eine Ausbildung an der Kunstakademie in Berlin. Er arbeitete an der renommierten Medaillenmünzstätte Loos in Berlin, Wyon in London und trat nach kurzer Tätigkeit in Brüssel, Paris, München und in der Schweiz in den Dienst der Berliner Münzstätte. Daneben arbeitete er auch für andere Staaten. Berühmt gemacht hat ihn sein umfangreiches Medaillenwerk, vorwiegend über historische Ereignisse und Persönlichkeiten.

Das 10-Pfennigstück stammt aus der Münzstätte Stuttgart "F". Für die Vorderseite zeichneten wieder Emil Weigand und für die Rückseite Friedrich Wilhelm Kullrich verantwortlich. Das Gewicht dieser Münze beträgt 4,0 g, die Prägeauflage betrug ca. 272 Millionen Stück. Das ältere 20-Pfennigstück aus der Münzstätte Berlin ist aus Silber mit einem Feingehalt von 900/1000. Es ist nur 1,11 g schwer und hieß im Volksmund "Flimmerschen", weil es seinerzeit die kleinste deutsche Silbermünze war. Von diesem "Flimmerschen" wurden ca. 178 Millionen Stück geprägt. Die Prägungen erfolgten nur in den Jahren von 1874-1877 und wurden dann eingestellt, da der Materialwert und die Prägungskosten über dem Nennwert lagen. Sie wurden abgelöst von den 20-Pfennigstücken aus einer Kupfer-Nickellegierung, die ab 1887, dem Errichtungsjahr der "Germania", geprägt wurden.

Beim "Flimmerschen" waren für die Vorderseite wieder Emil Weigand und für die Rückseite Friedrich Wilhelm Kullrich verantwortlich. Medalleure des ersten 20-Pfennigstück des neuen Typs waren ebenfalls die beiden Vorgenannten. Das Gewicht dieser Münze betrug 6,25 g und die Prägezahl betrug ca. 15 Millionen Stück.

Das 1-Mark-Stück aus Silber (900/1000 fein) ist 5,55 g schwer. Die Vorderseite schuf Friedrich Wilhelm Kullrich und die Rückseite stammt von Joh. Adam Ries, geb. 1813 in Kulmbach und 1889 in München gestorben. Der Eichenkranz um den Nennwert geht eindeutig auf die Eichenkränze der süddeutschen (Bayern, Württemberg, Baden) Guldenstücke zurück. Die geprägte Stückzahl betrug ca. 177 Millionen.

Der Name "Mark" der neuen Währung des Deutschen Reiches ab 1871 war eine Verneigung vor der damals größten deutschen Handelsmetropole Hamburg. Die alte "Hamburger Mark" war ein Begriff.

Was war nun im Jahre 1887 das Geld wert, was konnte man dafür kaufen? Das ist eine Frage, die bei der Forschung nach Geld und Geldwert immer wieder auftaucht. Hierzu gibt uns das Amtsblatt des Regierungspräsidenten in Münster aus dem Jahre 1887 genaue Auskunft. Es handelt sich hier um Durchschnittspreise aus Einzelhandelsgeschäften. Direkt vom Erzeuger waren die hiesigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse auch billiger zu haben. Im Jahre 1887 bezahlte man bei uns und in unserer Umgebung folgende Preise:

1kg

Weizenmehl Nr.1

0,26 Mark

1kg

Roggenmehl Nr.1

0,22 Mark

1kg

Graupen

0,38 Mark

1kg

Reis aus Java

0,35 Mark

1kg

Buchweizengrütze

0,30 Mark

1kg

Kaffee aus Java

2,20 Mark

1kg

Rindfleisch von der Keule

1,00 Mark

1kg

Rindfleisch vom Bauch

0,90 Mark

1kg

Schweinefleisch I. Qual.

1,00 Mark

1kg

Hammelfleisch

0,96 Mark

1kg

Speck

1,30 Mark

1kg

Butter

1,80 Mark

60

Eier

2,43 Mark

Ein Facharbeiter in der Fabrik oder dem Handwerk erhielt 1887 einen Wochenlohn zwischen 15,00 und 20,00 Mark. Es ging demnach in diesen Haushalten sehr knapp zu.  Das Hauptnahrungsmittel war zu jener Zeit die Kartoffel. Die "gute, alte Zeit" war nur eine goldene Zeit für den, der auch das nötige Kleingeld hatte.

 

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