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Die Geschichte des Töpferhandwerks unter technischen Gesichtspunkten

Martin Eiling, März 1991 Heimatblätter Heft 1

Wohl kaum ein anderes Handwerk lässt sich aufgrund seiner Produkte in der Menschheitsgeschichte so lange zurückverfolgen, wie das Töpfer- oder Keramikerhandwerk. Vielfältig haben die Erzeugnisse der Töpfer und Keramiker zur Bezeichnung ganzer Kulturepochen dienen müssen: Glockenbecher- Kultur, Bandkeramik- Kultur, Schnurkeramik- Kultur seien hier nur als allgemein bekannte Beispiele genannt. Wenn auch die heutigen Töpfer und Keramiker fast noch so arbeiten, wie ihre Vorgänger vor tausenden von Jahren, so hat es doch auch vielfältige Entwicklungen gegeben, die im folgenden dargestellt werden sollen. Dabei erhebt dieser Artikel keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr soll er einen ersten Einblick geben und zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema anregen. Wann und wo der Mensch zum ersten Mal aus Ton oder tonhaltiger Erde etwas gefertigt hat, wann er erstmals ein Stück gebrannt hat, wann und wo er lernte, Gegenstände seines täglichen Bedarfs aus Ton herzustellen, wir werden es wohl kaum je erfahren. Archäologen, Früh- und Kunsthistoriker sind sich einig, dass die Wiege des keramischen Handwerks vor etwa sieben- achttausend Jahren im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris gestanden hat – also im heutigen Irak. Sicher sind sich die Wissenschaftler aber auch, dass schon lange vorher Figuren – Kultgegenstände wohl meist – aus Ton geformt und auch gebrannt wurden. Dabei wurden sowohl Figuren, als auch Gefäße von Hand geformt. Die wohl bis heute einschneidernste Erfindung in diesem Handwerk – die Dreh- oder Töpferscheibe – wurde erst vor ca. 5000 Jahren gemacht. Zwischen 3000 und 3.500 vor Christi Geburt scheint die Töpferscheibe den Sumerern bekannt gewesen zu sein. Wie es zu dieser Entwicklung kam – auch das wird man wohl nicht mehr in Erfahrung bringen können. Vom Zweistromland aus breitete sich die Töpferscheibe langsam über die ganze Welt aus. Etwa 3000 v. Chr. War sie in Palästina bekannt, kurze Zeit später auch in Ägypten. Gleichzeitig drang sie nach Osten bis etwa in das heutige Pakistan vor. Etwa 2000 v. Chr. Hatte die Töpferscheibe im fernen Osten China erreicht, auf der anderen Seite nach Westen Kreta und um 1500 v. Chr. war sie in Griechenland in Gebrauch. Noch einmal 500 Jahre später hatte die Töpferscheibe Italien erreicht, und um die Zeitwende war sie im Zuge der römischen Eroberungen bis in die Gegend von Rhein und Donau und auch nach England gelangt. Zur gleichen Zeit war sie dann auch von China nach Japan vorgedrungen. Zuletzt, erst im Zuge der europäischen Kolonalisation, kam die Töpferscheibe im 16. und 17. Jahrhundert n. Chr. auch auf dem amerikanischen Kontinent. Seit den ersten Tagen hat sich die Töpferscheibe bis heute kaum verändert. Noch heute besteht sie im wesentlichen aus zwei Scheiben: einer größeren, schweren und einer kleineren, leichten Scheibe, die durch eine Achse miteinander verbunden sind. Dabei dient die größere Scheibe am unteren Ende der Achse als „Schwungscheibe“, die die ganze Apparatur in Drehung hält. Die kleinere Scheibe am oberen Ende der Achse, der „Scheibenkopf“, ist der Arbeitsplatz des Töpfers. Wenn man davon absieht, dass die Scheiben und Achsen heute aus modernen Werkstoffen gefertigt werden, so ergibt sich zu der Situation von vor mehreren tausend Jahren nur ein Unterschied: heute werden die Töpferscheiben mit elektrischen Motoren angetrieben und ersparen den Töpfern so das zeit- und kraftraubende „Anschieben“ mit dem Fuß. Das wichtigste Arbeitsmittel des Töpfers und des Keramikers neben der Töpferscheibe ist der Brennofen. Die gefertigten Stücke müssen gebrannt werden, um sich nicht wieder zu verformen und um die notwendige Festigkeit zu bekommen, damit man sie z.B. als Geschirr oder Vorratstöpfe benutzen kann. Dazu müssen die getöpferten Stücke einer Temperatur von mindestens 650 – 800°C ausgesetzt werden. Diese Temperatur ist notwendig , damit sich das chemisch gebundene Wasser, das im Ton und in keramischen Massen enthalten ist, verdampfen kann. Es ist sicherlich leicht verständlich, dass die Töpfer vor mehreren tausend Jahren erhebliche Probleme hatten, solch hohe Temperaturen zu erreichen. Zunächst standen ihnen nämlich nur sogenannte Erd- oder Maileröfen zur Verfügung. In einer Erdmulde wurden die zu brennenden Stücke und das Brennmaterial, in aller Regel Holz, durcheinander aufgeschichtet und dann abgedeckt. Solche Öfen hatten zwei große Probleme für den Töpfer: zum einen war es sehr mühsam, mit ihnen die notwendigen hohen Temperaturen zu erreichen, zum anderen war der Brand in ihnen unkontrolliert, auf Brenndauer und Brennverlauf konnte kaum Einfluss genommen werden. Eingroßer Fortschritt war da der senkrechte, gemauerte Ofen, der im Nahen Osten etwa um 4.000 v. Chr. entwickelt wurde, also noch vor der Töpferscheibe. Die Ware war hierbei vom Brennmaterial völlig getrennt: unter dem zu brennenden Gut befand sich, durch einen Rost getrennt, die Feuerstelle. Mit diesem Ofen fiel es zum Teil leichter, die notwendigen Brenntemperaturen zu erreichen, zum anderen konnte man nun Brenndauer und Brennverlauf kontrollieren. So wurde auch bessere Ware produziert. Noch aber hatte der gemauerte Ofen einen großen Nachteil: die Temperaturunterschiede im Ofen waren relativ groß. Die Ware war deshalb sehr unterschiedlich in Farbe und Qualität, je nachdem, wo sie im Ofen gestanden hatte. Es dauerte lange Zeit, bis man die Lösung dieses Problems fand.

Die Lösung war der sogenannte „Töpferofen“ oder auch gemauerter Ofen mit niedergehender Flamme. Die Feuerstelle lag nun nicht mehr unter der Ware, sondern isoliert daneben. Die von der Feuerstelle erhitzte Luft wurde von oben über das zu brennende Gut geleitet und nach unten durch ein Rost in einen Kamin abgezogen. So erreichte man, das die Temperaturunterschiede im Brennofen relativ gering waren und die Ware nach Qualität und Farbe sehr viel gleichmäßiger wurde. Dieser Töpferofen war über viele Jahrhunderte in Gebrauch, bis er in seiner heutigen Zeit fast vollständig durch den Elektroofen bzw. Gasofen verdrängt wurde.

Mit dem Aufkommen industrieller Fertigungsmethoden in der Töpferei (Keramikrohre, Blumentöpfe, später auch Geschirr, Vasen etc.) begann man nach Möglichkeiten zu suchen, mit einem Ofen ständig brennen zu können, um die Zeiten des Aufheizens und Abkühlens möglichst kurz zu halten oder völlig auszuschalten. Man entwickelte zuerst den Ring-, dann den Kammerofen. Beide arbeiteten mit einem System gegeneinander abschließbaren Kammern, die von einer Feuerstelle aus in einem bestimmten Rhythmus beheizt werden konnten.

Später wurde dieser Ofentyp von heute noch in Ziegeleien gebräuchlichen Tunnelöfen abgelöst. Hierbei wird die zu brennende Ware auf Spezialwagen durch einen kontinuierlich, also ständig brennenden Ofen gezogen. Das Aufbauen der Ware und auch das Abbauen der gebrannten Ware geschieht außerhalb des Ofens. Ein solcher Ofen ist zwar relativ aufwendig, hat aber keinerlei Energieverluste mehr durch Aufheiz- und Abkühlphasen.

Das wichtigste Arbeitsmittel des Töpfers, neben Töpferscheibe und Brennofen, sind zweifellos die Hände des Töpfers. Mit ihnen muss er dem Ton auf der Scheibe die gewünschte Form geben. Zunächst muss der Ton auf der Scheibe „zentriert“ werden, das heißt, der Ballen Ton muss auf der Scheibe völlig rund laufen, er darf keine „Unwucht“ mehr haben, denn sonst wird das zu fertigende Stück krumm und schief. Dann muss das rundlaufende Stück „aufgebrochen“ werden. Es muss in der Mitte ein Loch eingedrückt werden, um das herum der Töpfer dann die Wände in der gewünschten Stärke und Form „hochzieht“. Dieses Hochziehen geschieht dadurch, dass man auf die beim aufbrechen entstandenen Tonwülste drückt und zieht; hierbei spielen handwerkliches Können, Geschick, Erfahrung und Talent des Töpfers eine große Rolle.

Auf diese Weise entstehen Teller, Tassen, Töpfe, Vasen, Schüsseln, Schalen, Aschenbecher etc. Will der Töpfer etwasfertigen, was nicht aus einer runden Grundform abgeleitet werden kann, so ist er darauf angewiesen, den Ton zu stanzen oder zu gießen. Auch das Gießen ist eine alte Technik im keramischen Handwerk. Zunächst wird ein Modell des gewünschten Stückes hergestellt. Davon wird dann ein Gipsabdruck genommen. Dieser Abdruck dient dann als Gussform. Da Gipsformen allerdings sehr schnell verschleißen, müssen immer wieder neue Formen erstellt werden. Für die seit ältester Zeit betriebene Dekoration der keramischen Erzeugnisse gibt es, bis in unsere Tage hinein, die unterschiedlichsten Techniken, Farben und Muster. Die Töpfer verwenden dafür auch die verschiedensten Werkzeuge, die hier im Einzelnen nicht alle beschrieben werden können. Die für Ochtrup von alters her typische Dekoration mit „Tonschlicker“ oder „Engobe“ auf dem hier heimischen, rotbrennenden Ton wird auch heute noch von Hand mit Hilfe der „Malhörnchen“ aufgetragen. Dabei handelte es sich ursprünglich tatsächlich um die Hörner von Schafen, Ziegen oder auch kleineren Kuhhörnern. Später verwendete man runde Tongefäße mit einem feinen Ausfluss, in den ein Federkiel eingeschoben wurde. Damit erreichte man einen möglichst feinen Strich bei der Bemalung. Heute haben sich unter der Bezeichnung „Malhörnchen“ überall Gummibällchen durchgesetzt, den Klistieren nicht unähnlich, in deren Ausflussöffnung Glasröhrchen eingeschoben werden. Damit erzielt der Töpfer sehr feine gleichmäßige Striche und Linien und kann damit auch kompliziertere Bemalungen sauber ausführen.

Bis heute ist es unklar, wann im hiesigen Raum mit dem Töpfern begonnen wurde. Neuere Entdeckungen und bessere Altersbestimmungen aus Bodenfunden lassen vermuten, dass die Geschichte der Ochtruper Töpferei noch wesentlich älter ist als bisher angenommen. Man kann aber davon ausgehen, dass die in diesem Artikel dargestellten technischen Abläufe, seit Beginn der Töpferei in unserer Heimat, hier ebenso zur Anwendung gelangten.

Von Wichtigkeit erscheint an dieser Stelle noch der Hinweis, dass in Ochtrup dass Töpferhandwerk , noch bis in dieses Jahrhundert hinein, typischerweise als Nebenerwerb betrieben wurde, wobei in der Regel mehrere Nachbarn gemeinsam einen Brennofen betrieben, da nur verhältnismäßig selten gebrannt wurde.

Eine kontinuierliche Töpfereiproduktion gibt es hier wohl erst, seit einige Töpfer mit der Fertigung von Ton- und Keramikwaren ihren Haupterwerb einrichteten. Von diesen Töpfereien sind in Ochtrup nur noch die Töpfereien Eiling in der Horst und Ostkotte in der Oster übrig.

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