Das Holzschuhmacherhandwerk in Ochtrup
(1994) Bruno Kippelt
Heinrich Goor war Obermeister und Gewährsmann der Holzschuhmacher – Innung und machte sich dadurch einen Namen unter seinen Standeskollegen im Münsterland. Als sein Vater Bernhard Goor aus der Westerbauernschaft die einzige Tochter Libbet der Eheleute Deitmaring gnt. Jobbens heiratete, begann dieser mit der Anfertigung von Holzschuhen. Das Haus, in dem sich die Werkstatt befand, stand auf dem Grundstück Zurloh, Wiegbold 165 (heute Weinerstraße 24).
Alte Leute in Ochtrup erinnern sich noch daran, dass vor diesem Haus auf der Weinerstraße oft zwei oder drei Bäume lagen, die Goor gemeinsam mit seiner Frau zu verschieden langen Rollen zersägte. Diese Rollen mussten dann durch die Tenne und die Küche über den Hof in den dahinterliegenden Schoppen geschleppt werden.
Mit einfachem Werkzeug – Ziehmesser, Beil und Bohrer – fertigte Goor meist mit einem Lehrling und einem Gesellen Holzschuhe an. Verkauft wurden die Holzschuhe dann direkt aus der Werkstatt oder über Kolonialwarengeschäfte in Ochtrup.
Klumpen, das sind Holzschuhe ohne Lederkappen, sind nur auf Bestellung angefertigt worden. Im hiesigen Raum wurden zu der Zeit überwiegend flache Holzschuhe getragen.
Das westliche Münsterland ist ein Verbreitungsgebiet beider Schuharten. Die östliche Grenze der hohen Deckelholzschuhe verläuft in Nord-Südrichtung östlich der Linie von Lingen und Bentheim über Ochtrup, Heek, Legden, zwischen Holtwick und Osterwick über Coesfeld, Lette und Haltern ins niederrheinische Grenzgebiet. Dieses Verbreitungsgebiet wird vom Gebiet der flachen Holzschuhe durch die politische Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden abgetrennt. Im westmünsterländischen Mischungsgebiet beider Holzschuharten dominiert im westlichen Teil der hohe Deckelholzschuh, im östlichen Teil der flache Holzschuh. Nach Aussagen der ältesten Holzschuhmacher war das vor 50 Jahren noch nicht so. Um die Wende zum 20. Jahrhundert überwogen auch im östlichen Teil des Westmünsterlandes zahlenmäßig die Träger von hohen Deckelholzschuhen. Wir können beobachten, wie ein ehedem niederländischer Einfluss, der mit vielen Kulturgütern – u.a. auch mit den hohen Deckelholzschuhen – auf Deutschland einwirkte, allmählich nachließ. Seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts hat im östlichen Teil des Westmünsterlandes die Nachfrage nach hohen Deckelholzschuhen nachgelassen. Langsam eroberte der flache innermünsterländische Holzschuh das Westmünsterland als Absatzgebiet zurück.
Dies änderte sich auch nicht, als der Holzschuhmacher-Betrieb Goor in die zweite Generation ging und der älteste Sohn Heinrich den elterlichen Betrieb weiterführte.
1947 verkaufte Heinrich Goor seinen Besitz an der Weinerstraße. In seinem Garten an der Overbergstraße, genannt Brüffers Kamp, ließ er eine neue Werkstatt errichten. Lange wurde diese neue Werkstatt jedoch nicht mehr genutzt, denn im Jahre 1950 starb Heinrich Goor. Zu dieser Zeit wurde dann auch der Betrieb geschlossen. Das gerade neu erbaute Werkstattgebäude wurde 1953-1955 zu einem Wohnhaus umgebaut, das heute noch bewohnt ist.
Rund um Ochtrup gab es eine Vielzahl von Holzschuhmachern. Aus Adressbüchern der Jahre 1926 und 1939 sind noch Namen und Adressen bekannt, die aus amtlichen Unterlagen zusammengestellt wurden. Für Ochtrup werden zehn, für Welbergen ein und für Langenhorst kein Holzschuhmacher genannt.
Im heutigen Stadtgebiet gab es fünf Holzschuhmacher-Werkstätten:
Goor, Heinrich; Weinerstraße 24
Eiling, Josef; Gasstraße 27
Mathmann, Heinrich; Bergweg 40
Böking, Franz; Töpferstraße 22
Wolbeck, Hermann; Horst und Wall 203
In den angrenzenden Bauernschaften wurden folgende Holzschuhmacher verzeichnet:
Mussinghoff; Weiner 9
Hinkelammert, Theo; Weiner 82
Hinkelammert; Weiner 153
Krabbe, Bernhard; Wester 103
Peitzmann, Kaspar; Oster 117
In Welbergen war es Wilhelm Schwering, Hausnr. 94, der als Holzschuhmacher genannt wurde. Aus mündlicher Überlieferung ist bekannt, dass Schwering bei Goor in Ochtrup gelernt hat.
Ferner wurden mir mündlich noch folgende Holzschuhmacher genannt:
Balser; Schützenstraße
Alteepping; Weiner
Lücker; Weiner 267
Bültbrune; Wester
Ruhkamp; Oster
Sowie in Welbergen:
Barkling; Brink
Lagedroste, Heinrich; Brink
Ratering; Bökerhook
Überwiegend arbeiteten diese Betriebe mit Familienangehörigen. Im Winter gingen auch Kötter und Dörfler auf die Höfe und fertigten vor Ort für die ganze Familie Holzschuhe an. Jede Familie hatte ihren bestimmten Holzschuhmacher, denn man sagte: „Haolsken maken is kine Kunst, men de hunnertste Mann versteiht bloß“.
Hermann Tewes, Weinerstraße, kann sich noch daran erinnern, dass um 1918 die Lehrerin der Jungenschule, Fräulein Bagert, ihre Holzschuhe nur bei Ruhkamp (heute Stegemann) in der Oster kaufte. Ruhkamp konnte besonders leichte und schöne Holzschuhe machen.
Es war normal, dass Lehrer und Schüler im Klassenzimmer Holzschuhe trugen. Wenn einmal ein Holzschuh vom Fuß auf den Holzfußboden fiel, gab es zur Strafe sofort einen Schlag mit dem Stock über die Finger.
In Welbergen war Heinrich Lagedroste, ein gelernter Holzschuhmacher, bekannt für leichte Holzschuhe. Das wusste auch Familie Stücker gnt. Engeln. Da der Weg zu Lagedroste aber bei einem näher gelegenen Holzschuhmacher vorbeiführte, hieß es deshalb bei Stückers: „Niem ober de Tasch met!“
In einem Zeitungsartikel aus dem Jahre 1955 heißt es: "Bei der Beliebtheit des Holzschuh`s (noch heute, 1955, gibt es alte Leute, die nur zum Kirchgang Lederschuhe tragen) ist es nicht verwunderlich, dass der Holzschuh in die ländliche Sprachschöpfung eingegangen ist. Mancherlei Rätsel gibt es um ihn:
„Dags heft de Mul vull Fleesk, nachts steiht`t un gapt“ oder
„Holderdipolder leipt uöwer den Balken un har dat Muul vull Menskenfleesk.“
Ist aber in der Nachbarschaft eine Hochzeit, dann heißt es:
„Dat is en Dag, wo`m es wier ut de Haolsken kümmp.“
Wer bei dieser Gelegenheit eifrig mittrinkt, sonst aber jedes „Schnäpsken“ ausschlägt, von dem sagt man:
„Bi`n Weert spich he drin; up de Hochtied süpp he ut den Haolsken.“
Der Aufschneider aber muss sich sagen lassen:
„Du kümmps ja up Haolsken“ oder
„Kerl, Du lügs, dat`m met en Haolsken föhlen kann.“
Körtsaag: eine ca. 150 cm lange Säge mit zwei Griffen, die zum Fällen und Zersägen (afüörten) der Baumstämme dient.
Äxt: eine langgestielte Axt, mit der die Holzklötze gespalten werden (klöwen, kleiwen).
Schlage: ein großer, hölzener Hammer, mit dem beim Holzspalten der Keil eingetrieben wird.
Klumpbiel (Holskenbiel): Beil, mit dem die äußere Form des Holzschuhs grob behauen wird.
Haupaol: Hauklotz, auf dem mit dem Beil die Holzschuhe behauen werden.
Paolmes: 70 bis 80 cm langes Messer mit Griff an einem Haken am anderen Ende; auf diesem Haken wird es in einen Ring auf der Praam eingehängt.
Praam: Ein auf Stützen gestellter Baumstamm mit einer breiten Kerbe, in der die Holzschuhe eingekeilt werden. (pramen = pressen, drücken; von italienisch premere)
Füllholt: kleines Holzbrettchen, das beim Festkeilen benutzt wird.
Bücke: Holzhammer zum Eintreiben des ...
Gosbeitels: ein halbrundes Stemmeisen.
Liäpelboor: Löffelbohrer zum Ausbohren des Holzschuhs.
Längtenboor: Längenbohrer zum Ausbohren des Holzschuhs.
Wier: aufgestapelte (aufgereihte) Holzschuhe oder mit ausgeglühtem Eisendraht (Wierdraot, vgl. englisch wire = Draht) zusammengebundene, aufeinandergeschichtete Holzschuhe.
Rümhaken: hakenförmiges Messer zum Ausschneiden bzw. Ausräumen des Holzschuhs.
Fassmess: kleines Messer zum Glätten im Fersenbereich.
Treckmess: Messer mit zwei Griffen zum Schneiden der äußeren Schuhform.
Böermess: Messer, mit dem die scharfen Kanten an der Fußeinfassung des Holzschuhs beseitigt werden.
Maotstock: Maßstab in Zentimeter- oder noch in Zolleinteilung.
Hersteller der Werkzeuge waren im hiesigen Raum überwiegend die Schmiede Tietmeyer in Metelen und die Firma Jürgens in Emsdetten. Lederwaren und sonstiges Zubehör lieferte zumeist die Firma Hessel aus Ahaus- Ottenstein.
² Unter Verwendung von Holzschuhe und Holzschuhmacherhandwerk, Bernhard Büld; Vreden 1980
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