Von Ludger Ernschneider
"Möge im Marienheim, diesem traditionellen Haus, nun wieder der Geist wehen wie einst zur Zeit eines Professors Katerkamp oder Professors Gärtner oder Professors de Vries zum Wohle unserer Kinder, der gesamten Bürgerschaft...", so lautete die Grußbotschaft des damaligen Bürgermeisters Robert Nitsche am Tag der Eröffnung des Ochtruper Gymnasiums an der Laurenzstraße vor 25 Jahren, genau am 9. August 1968. Diese Grußbotschaft ist im Ochtruper Tageblatt vom 10. 8. 1968 nachzulesen. Während die Namen Katerkamp und Gärtner bekannt sind, weil nach ihnen Straßen in Ochtrup benannt sind, sucht der Ochtruper Bürger vergeblich nach dem Namen de Vries.
Alte Ochtruper konnten zu diesem Namen nichts sagen; der Name war ihnen völlig unbekannt. Für schwierige Fälle befragt man gerne ein Lexikon. Sollte etwa der Name de Vries hier vorkommen? Ach, das kann doch wohl nicht sein! Schau doch einfach nach, vielleicht hast du Glück. Gesagt, besser: gedacht, getan! Tatsächlich, im Grossen Brockhaus war nun eine Fundstelle. Dort konnte Auskunft eingeholt werden; es war nicht wenig, was dort stand: „Josef de Vries, * Ochtrup, 3.1.1898, wurde 1929 Professor am Jesuiten Kolleg in Valkenburg, 1934 am Jesuiten Kolleg in Pullach bei München. Er trat besonders als Logiker und Erkenntnistheoretiker hervor.
Werke:
Denken und Sein (1937, ²1953); Critica (1937, ³1964); Die Welt des Menschen (1940, ²1961, mit J. Lotz); Logica (1950, ³1964); Die Erkenntnisse des dialekt. Matrealismus (1958); Materie und Geist (1970). Neue Erkenntnisprobleme in Philosophie u. Theologie, hg. V. J.B. Lotz (1968; Festschrift)1
1: Brockhaus Enzoklopädie, Band 19 (TRIF – WAL), S. 750, Sp. 2; Wiesbaden 1974
2: SJ = Societas Jesu (Gesellschaft Jesu) bezeichnet den Jesuitenorden.
3: Herder – Bücherei
Sollte Professor de Vries SJ noch leben, da sein Todestag noch nicht eingetragen ist? Zu Lebzeiten wurde Prof. Dr. de Vries schon gewürdigt. Wenn es sich also um einen Jesuiten handelt, müsste die Niederlassung im Haus Sentmaring in Münster weiterhelfen können. Tatsächlich, hier war die nächste Informationsquelle. Der Leiter des Hauses teilte mit, dass Prof. Josef de Vries SJ am 26. Dezember 1989 in Pullach bei München verstorben sei. Er stamme aus Ochtrup, und sein Vater sei bei der dortigen Tageszeitung Redakteur gewesen. Der Bruder von Professor Dr. de Vries lebe als fast 90- jähriger im Altenheim der Jesuiten in Münster. Ein Termin für ein Gespräch wurde vereinbart.
Professor Dr. Wilhelm de Vries SJ, der aufgrund seiner orientalischen Studien in Rom und Beirut wissenschaftliche Werke über die Theologie der Ostkirche geschrieben und mit seinem Bändchen Orthodoxie und Katholizismus Gegensatz oder Ergänzung³ die Gespräche eingeleitet hat, lehrte und forschte über 45 Jahre am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom und ist gerne bereit, über den Lebensweg seines Bruders Auskunft zu erteilen.
Als erstes Kind der Familie de Vries wurde sein Bruder Josef am 3. Januar 1898 in Ochtrup geboren. Die Familie wohnte damals in der Osterbauernschaft. Das war jedenfalls die amtliche Bezeichnung für das Haus, das noch heute am Grünen Weg 14 steht. Durch den späteren, beruflich bedingten Ortswechsel seines Vaters hat Josef de Vries in Neuss das Gymnasium besucht und in Essen sein Abitur gemacht. Als 19jähriger trat er im Jahre 1917 bei den Jesuiten ein. In Philosophie wurde er im Jahre 1922 promoviert, und am 28. August 1927 wurde er in Valkenburg in den Niederlanden zum Priester geweiht. Dort nahm er ab 1929 seine philosophische Lehrtätigkeit auf. Im Jahre 1939 wurde er ordentlicher Professor am BerchmannsKolleg in Pullach bei München. Dort blieb er bis zum Lebensende im Jahre 1989. Seit 1929 war er Mitarbeiter und seit 1932 Redaktionsmitglied der damaligen Zeitschrift Scholastik heute Theologie und Philosophie. Fast 30 Jahre war er Dekan der Pullacher Hochschule.
Seine besondere Leistung bestand darin, in die damalige Neuscholastik eine kritische Erkenntnistheorie eingeführt zu haben. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit sei die Erkenntnistheorie gewesen. Damit habe er einen großen Beitrag für die Geschichte der Philosophie geleistet. Er habe einen positiven Weg gefunden und ausgebaut für die Fragestellung: Warum und Wie können wir uns auf unsere Erkenntnis verlassen?
Bei seinen Studenten – so ist auf dem Totenzettel als Nachruf zu lesen – wurde er wegen seiner Schlichtheit liebevoll Onkel Josef genannt. In den Examina soll er kein bequemer Prüfer gewesen sein, aber wegen seiner Menschlichkeit war er sehr beliebt und er ist zeitlichen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen gewesen. Seine berühmte Redewendung lautete: „Das kann man doch nicht sagen!“ oder „Aber das geht doch nicht!“.
Neben seiner philosophischen Lehrtätigkeit – die mittlere und ältere Jesuiten-Generation ging durch seine Schule – war er gern seelsorgerisch tätig. Nicht ohne Stolz berichtete Professor Dr. Wilhelm de Vries von seinem großen Bruder. Er selbst habe sich einmal bei seinen Vortragsreisen in der Nähe von Ochtrup aufgehalten und dabei natürlich den Ort aufgesucht, wo seine Eltern gewohnt hatten. Er sei mit seinen fast 90 Jahren der Letzte der Familie de Vries.
Auf die Frage angesprochen, wie er reagieren würde, wenn man seinem Bruder ebenfalls eine Straße widmete, sagte er: „Ich würde mich riesig freuen, wenn man meinen Bruder damit ehrte“.
Nun, wenn vor 25 Jahren die vorgenannten Persönlichkeiten, die Professoren Gärtner, Katerkamp und de Vries, den Ochtruper Gymnasiasten im Jahre 1968 als Vorbilder hingestellt wurden, so wäre es schön, wenn auch die Stadt Ochtrup Professor Dr. Josef de Vries SJ, dessen Wiege in der Töpferstadt stand, eine bleibende Erinnerung schüfe. Wie sagt doch der Volksmund überzeugend? „Alle guten Dinge sind drei!“
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