Anita Bender
Für das trocken-luftige aushäusige Lagern von Körnerfrucht gab es und gibt es drei verschiedene Typen oberirdischer Lagervorrichtungen: Speicherkörbe, Speicherkästen und Speicherbauten.
Die großen Speicherkörbe waren in abgerundeten Formen geflochten, durch Pfähle oder Steine der Bodenfeuchtigkeit enthoben und durch Stützen mit Abdeckplatten gegen Mäusefraß gesichert. Gegen Wind und Wetter waren diese Speicherkörbe mit einem Schutzdach versehen.
Kornkasten sind Kastenspeicher auf Mäusepfeilern und heute noch im Münsterland als Haferscheunen anzutreffen. Diese kurzen Mäusepfeiler hoben den Aufbau aus dem Bereich der Bodenfeuchtigkeit. Da die Mäusepfeiler nach oben konisch zulaufen und Steinplatten tragen, kommen die Mäuse um den spitzen Winkel, den die Platte mit dem zugespitzten Stein bildet, nicht herum. Erinnerungen an diese Kornkästen findet man auch noch in Ochtrup (z.B. auf dem Hof Schwartbeck oder auch in den Bauerschaften).
Wenn von einem bäuerlichen Lagerbau für Körnerfrucht die Rede ist, meint man den Speicher, niederdeutsch „Spiker“, benannten mehrgeschossigen turmartigen Bau.
Der Speicherbau änderte sich vor allem mit der Änderung der grundherrlichen Organisation. Etwa seit dem 10. Jahrhundert begannen die geistlichen Grundherren, die in Westfalen überwogen, und die weltlichen, ihren Streubesitz an dienst- und zinspflichtigen Bauernhöfen straffer zu verwalten. Durch sie wurden Gruppen von abhängigen Höfen jeweils als Unterhöfe einem grundherrlichen Oberhof - auch Haupthof genannt - unterstellt. Der Haupthofinhaber führte den Titel Meier (von lateinisch „Maior“ = größer, der Größere, hier der Vorgesetzte) oder im westlichen Münsterland seit dem späten Mittelalter die Bezeichnung Schulte. Der letztgenannte Titel ist von der Aufgabe seines Trägers her gesehen: Der Schulte hat den Inhabern der zugehörigen Unterhöfe die "sculd", d.h. die schuldischen Abgaben und Dienste zu "heeten" (= heißen = angeben). Diesem niederdeutschen Titel entspricht der hochdeutsche Schultheiß. Die Frau des Schulten behielt übrigens weiterhin ihren alten Titel "Meiersche" (münsterländisch "Miärschke"). Die Schulten hatten nicht nur die Einnahmebücher wie ein Rentmeister zu führen: Sie waren gleichzeitig Landwirte als Bewirtschafter der Haupthöfe, (in Ochtrup der Pröbstinghof).
Bis etwa zum Ausgang des 12. Jahrhunderts waren es neben bäuerlichen Meiern und Dienstmannen geistlicher und weltlicher Herren, die von den Haupthöfen aus die Kontrolle über die Unterhöfe ausübten. Mit Beginn des 13. Jahrhunderts kam es erneut zu einem starken Wandel der grundherrlichen Wirtschaftsorganisation. Die ursprünglich unfreien Dienstmannen stiegen in Dienst größerer Herren wirtschaftlich und gesellschaftlich überraschend schnell auf. Der Hof Schulze Bockholt - Welbergen - (curtis to Boclo oder Bocholte) war der Haupthof der früheren, schon 1220 und noch 1380 erwähnten Bauerschaft Boclo, und unter seiner Gerichtsbarkeit standen bis 1334 auch die Eingesessenen des Kirchspiels Langenhorst. Der Hof bildete mit 12 Erben ein Amt der Propstei des Alten Doms zu Münster und ging 1353 durch Kauf an die Johanniter zu Steinfurt über. Schon 1247 hatte das Kapitel des alten Doms das Hölting und Wolting oder Holz- und Waldgericht des Hofes zu Boclo mit Ausnahme des Bauerngerichts dem Edlen Ludolf von Steinfurt überlassen, und seitdem besaßen die Edlen von Steinfurt das Erbholzrichteramt in der Welberger Mark, einem Teil der Brechte. Das Hölting wurde von den Steinfurter Drosten oder Richtern auf dem Kirchhofe zu Welbergen abgehalten. Außer dem Hause Welbergen, dem Hofe Schulze Bockholt und dem abteilich metelschen Kappelhofe gehörte das ganze Kirchspiel dem Stift Langenhorst. (Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Steinfurt, A.Leidorff)
Das Ansehen hob sich noch mehr, als im 12. Jahrhundert zahlreiche freie Ritter in ihre Reihen eintraten. In dieser Zeit wurde das Gut Lüttinghaus in Ochtrup von dem Rittergeschlecht von Slade bewirtschaftet. Das heraldische Wappen dieser Ritterschaft zierte das Stadtwappen von Ochtrup in der nationalsozialistischen Zeit mit dem Stüwwenkopp (Rest der Befestigungsanlage von Ochtrup). Das alte Stadtwappen - Lamm mit Fahne - war ein zu frommes Symbol für die Zeit. Am 26. April 1950 verlieh die Landesregierung der Stadt Ochtrup das derzeitige Stadtwappen (alte) neu.
Die meisten Schulten des Münsterlandes befanden sich dabei in milder geistlicher Grundherrschaft. Die Inhaber der Schultenhöfe bildeten im Münsterland - abgesehen von einigen Freibauerhöfen - die sozial führende Schicht der bäuerlichen Bevölkerung. An zweiter Stelle standen die Vollerben, die auf den ältesten Hörigenhöfen saßen und einen vollen Anteil an der Nutzung der gemeinsamen Hudenmark hatten. Sogenannte Halberbenhöfe und Viertelerbenhöfe (Erbkotten) entstanden während des 13. - 15.Jahrhunderts. (Condes Traditionum Westfalicrum, Prof. Dr. Franz Darpe) Im Jahre 1203 wies Bischof Hermann II den Schwestern im Kloster Langenhorst gesondert von den Brüdern Einkünfte von 7 Höfen zu, nämlich von Alt- und Niehoff, Elshof je einen in Wettringen und Wilmsberg.
Seit dem 16. und 17. Jahrhundert wurden viele kleine ländliche Anwesen begründet, die im allgemeinen um so weniger Boden besaßen, je jünger sie waren. Die Abstufung reichte von den Markenköttern über die Brinksitzer und Heuerlinge (Pachtkötter) bis zu den besitzlosen Einliegern. Die Leute auf dem Lande hatten keine volle Ackernahrung. Sie waren darauf angewiesen, sich durch ein Gewerbe als Holzschuhmacher, Schuster, Sattler, Schneider, Wagner, Zimmerer, Maurer, Leineweber, Töpfer usw. einen mehr oder minder beträchtlichen Teil ihres Unterhalts zu erarbeiten. Nebengebäude wie Speicher, Scheunen, Schuppen, Backhäuser, Schaf- und Schweineställe waren bei solchen Besitzverhältnissen nicht selten erforderlich.
Der hier - besonders für die Meier- und Erbenhöfe - angedeutete rechts- und sozialgeschichtliche Wandel mag uns helfen, die mehr- strängige Bau-, Funktions- und Sozialgeschichte des turmartigen bäuerlichen Speichers vor größeren geschichtlichen Hintergründen zu sehen.
Auf dem landwirtschaftlichen Anwesen Schulze-Althoff, Brookkamp 5 in Ochtrup-Langenhorst befand sich ein Fachwerkspeicher. Der Spieker, der nach der Umsetzung auf den ehemaligen Kirmesplatz in Langenhorst und der durchgreifenden Renovierung erstmals der Öffentlichkeit am Denkmaltag 1995 vorgestellt wurde, stammt in seinem Grundbestand aus dem Jahre 1806. Er stellt einen der wenigen in der Stadt Ochtrup noch erhaltenen Zeugen der Arbeits- und Produktionsverhältnisse des vergangenen Jahrhunderts dar.
Da er zu verfallen drohte, setzte sich die Stadt Ochtrup als untere Denkmalbehörde nachdrücklich für seine Erhaltung ein und erklärte sich bereit, das Gebäude zu erwerben und an dem jetzigen Standort wieder aufzurichten.
Zur Finanzierung dieser Maßnahme konnte neben der Stadt Ochtrup, der Stadtsparkasse Ochtrup, dem Heimatverein Ochtrup, des Landes NRW aus dem Denkmalschutzprogramm dem Landesamt für Agrarordnung, auch auf die von der Europäischen Union geförderte Stiftung RIBO mit Sitz in den Niederlanden zurückgegriffen werden.
Die Stiftung RIBO stellte hierbei im Rahmen von grenzüberschreitenden Weiterbildungsmaßnahmen die Arbeitskräfte für die Restaurierung und den Wiederaufbau zur Verfügung. Nach dem Abschluß der Arbeiten hat der Heimatverein Ochtrup e.V. das Gebäude in seine Obhut genommen um dort kleinere Veranstaltungen und Ausstellungen durchzuführen. Auch als Tagungsstätte dient der Spieker mit seiner gelungenen Innenausstattung dem Heimatverein. So erhielt dieses Gebäude wieder eine sinnvolle Nutzung und bleibt in seinem Umfeld auf Dauer der Nachwelt erhalten.
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