Nachforschungen und Erinnerungen von
- Walter Schnieder -
Die genannte Kapelle steht unter Denkmalschutz und trägt das Leitwort „Jesus begegnet seiner betrübten Mutter“ auf dem Wege nach Golgatha. Jesus Christus, dornengekrönt, gebeugt unter der schweren Last des Kreuzes auf seiner Schulter, verharrt bei dieser Begegnung ehrfurchtsvoll, um seine Mutter tröstend zu umarmen. Seine Hände sind dazu schon angehoben. Es kommt aber nicht zu dieser liebevollen Umarmung. Ein Kriegsknecht steht bereits hinter Jesus und treibt ihn mit drohender Gebärde weiter nach vorne. Soweit die dargestellte Szene in der Kapelle.
Über die Entstehung dieses religiösen Baumals wurde ein in der Nähe wohnender 97jähriger befragt und er erinnert sich, daß zu seiner Schulzeit - er war etwa zehn Jahre alt - die Figuren der Kapelle von einem Pferdefuhrwerk herab an Ort und Stelle abgeladen wurden, und das war um 1908. Die Aufstellung der Figuren erfolgte vermutlich durch den damals einzigen in Ochtrup wohnenden und tätigen Steinmetz und Bildhauer namens Rogge. Der Platz dieses Mals wurde von dem nahwohnenden Bauern Wilhelm Steingrobe bereitgestellt. Wahrscheinlich unentgeltlich als gutes Werk des Bauern. Die errichteten Figuren standen zunächst einmal unbedeckt. Zu welchem Zeitpunkt nun die Kapelle gebaut worden ist und die Figuren darin ihren Platz fanden, war nicht zu klären. Die Kapelle war aber schon vollständig, als ich als Schulanfänger 1919 in der Nähe wohnte. Man war wohl zu der Erkenntnis gekommen, daß Farbe allein nicht vor Verwitterung schützt; da vor Kriegsausbruch 1914 wahrscheinlich die Mittel noch vorhanden waren, beschloß man die Errichtung einer dauerhaften Kapelle in der heutigen Form.
Wer nun die Kapelle finanziert hat - ganz oder teilweise - ist bis heute ungeklärt. Ebenso war nicht zu erfahren, wer die Figuren entworfen und geschaffen hat. Es ist wohl anzunehmen, daß Auftraggeber und Finanzier die katholische Kirchengemeinde Ochtrup war.[1]
Soweit erinnerlich, war die damalige Kapelle zur Straßenseite hin völlig offen und jedermann zugänglich. Man sah in den 20ern und Anfang der 30er Jahre oftmals einzelne Gläubige in kniender Stellung auf der Stufe der Kapelle. Am Gründonnerstag herrschte hier jeweils Emsigkeit: der freie Raum rings um die Kapelle wurde entkrautet und geharkt - Blumen in Vasen schmückten den Innenraum. Und dieses alles durch uneigennützigen Einsatz der Familien Wehrmann und Duesmann! Karfreitag zog die Prozession („Prossion“ plattdeutsch für die Alt-Ochtruper) auch an dieser Kapelle vorbei zur kurzen Andacht. Auf etwa hundert Schritten ging es dann rechts ab zum Kreuz an Seggerts Hof, weiter in Richtung Laukreuz zur Kapelle an der Ecke Turmstraße/Gronauer Straße, dann weiter über den Bergweg mit zwei weiteren Stationen zurück zum Anfangs- und Endpunkt Lambertikirche.
Kurios war die Feststellung, daß etliche Jahre hindurch ein Schwarzdrosselpärchen auf der Schulter der Christusfigur in der Kapelle ein Nest baute und etliche Vogelkinder dort wohlgeborgen flügge wurden. Rund um die Kapelle waren im Laufe der Jahre Fichten gepflanzt worden, die mancherlei Vögeln Schutz und Nistgelegenheit boten. Gegenüber dieser Kapelle verlief parallel mit der Straße Nienborger Damm eine Wallhecke mit vielerlei Sträuchern und Bäumen. Hinter dem Kapellenbau befand sich ein natürlicher strauchbewachsener Teich. Hierin tummelten sich Frösche, Molche und Stichlinge. Wir Jungen holten uns dort sehr oft nasse Füße beim „Fischfang“ und „Schiffchenschwimmen“. Zur Maienzeit hatte auch die Nachtigall hier ihr Zuhause. Wundervoll, wenn sie abends oder in der Nacht ihr zu Herzen gehendes Lied weithin erschallen ließ...! - Was vergangen, kehrt nicht wieder, aber ging es leuchtend nieder: leuchtet’s lange noch zurück.
[1] Anmerkung von A. Bender: Anfang des Jahrhunderts waren vier Kreuzwegstationen geplant. Zwei Stationen wurden nur fertiggestellt. Die erste Kapelle in Lessels Garten, wovon heute diePilatusgruppe in der Bahnhofstraße noch erhalten ist; die zweite Kreuzwegstationist die Kappe am Nienborger Damm. Bekannt ist weiter, daß ein Bildhauer aus Telgte diese Figurengruppe schuf. Da zeitgleich Frau Scho (Holzhandlung Scho) enge Beziehungen zu Telgte hatte, wird angenommen, daß diese Stiftung der damaligen Familie Scho zu verdanken ist. So stiftete auch die Familie Lessel die Kapelle an der Bahnhofstraße.
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