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Verdiente Ehrungen

Pfarrer Scheipers – Diamantenes Priesterjubiläum

Zusammengestellt von Anita Bender

 

1.             Grußwort des Bürgermeisters Franz-Josef Melis

2.             Ansprache des Pfarrer Scheipers in Hubertusburg

 

Anlässlich des Diamantenen Priesterjubiläums von Pfarrer Hermann Scheipers fanden mehrere Feierstunden statt. Bei der Feier in Ochtrup sprach Herr Bürgermeister Franz-Josef Melis ein viel beachtetes Grußwort.

Bei der Festveranstaltung in Hubertusburg/ Wermsdorf, bei welcher Pfarrer Scheipers die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde verliehen wurde, sprach er selber. Die „Ochtruper Heimatblätter“ bringen beide Ansprachen im Wortlaut:

 

Grußwort des Bürgermeisters Franz-Josef Melis zum Diamantenen Priesterjubiläum von Pfarrer Hermann Scheipers am 14. 09. 1997 in der „Villa Winkel“

 

„Herr Pfarrer Wichmann,

Herr Pfarrer Scheipers,

Frau Schweppe,

sehr verehrte Damen und Herren!

Es ist für die Stadt Ochtrup – hier vertreten durch die Damen und Herren des Rates der Stadt und durch mich – eine überaus große Freude, Sie alle hier aus Anlass des Diamantenen Priesterjubiläums von Herrn Pfarrer Scheipers in der Villa Winkel begrüßen zu dürfen.

Als Vertreter der Stadt Ochtrup heiße ich Sie alle herzlich willkommen.

Die Feier des Diamantenen Priesterjubiläums, Herr Pfarrer Scheipers, ist zuallererst Ihr Fest – auch das Ihrer gesamten Familie.

Es ist darüber hinaus ein Fest für die katholische Kirchengemeinde St. Lamberti. in der Sie seit Jahren aktiv wirken.

Es ist aber auch für die Stadt Ochtrup Anlass zur Freude und zur Feier und ich bin deshalb Herrn Pfarrer Wichmann und Herrn Wigger sehr dankbar, dass ein Teil der öffentlichen Feier in ein städtisches Gebäude verlegt wurde, damit auch die Stadt Gelegenheit hat, Ihnen, Herr Pfarrer Scheipers, zu gratulieren, Ihnen für Ihre ganz außergewöhnliche Lebensleistung zu danken und auch ein wenig mit Ihnen zu feiern. Wir erreichen damit auch, das will ich gern sagen, dass ein wenig vom Glanz Ihrer Feier auch für die ganze Stadt abfällt.

Ihr Jubiläum, Herr Pfarrer Scheipers, das Sie heute begehen, hebt sich deutlich ab von den Jubiläumsfeiern, die uns als Vertreter der Stadt immer einmal wieder begegnen.

Ein Diamantenes Priesterjubiläum an sich ist in unserer Stadt schon etwas höchst seltenes. In Ihrem Falle, Herr Pfarrer Scheipers, wird es zusätzlich dadurch höchst außergewöhnlich, dass es nicht nur 60 Jahre praktischer priesterlicher Dienst sind, auf die Sie heute zurückblicken, sondern es sind die Umstände, unter denen Sie den größten Teil dieses Dienstes versahen.

„Priester unter zwei Diktaturen“. Diesen Untertitel haben Sie Ihrem Buch gegeben, das heute im Rahmen dieser Feier auch in Ochtrup der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll und in dem Sie in höchst beeindruckender Weise den größten Teil Ihres priesterlichen Lebens – schier unbegreiflich – beschreiben. Man ist geneigt zu sagen, dass es fast unbeschreiblich ist, was Sie dort in Ihrer Autobiographie beschreiben und in jedem von uns stellen sich während und nach der Lektüre Ihres Buches die inzwischen hinreichend bekannten Fragen danach, wie es dazu kommen konnte, wann alles seinen Ursprung nahm, warum man es nicht hat verhindern können, wen Schuld oder zumindest Verantwortung trifft und ob es nicht möglich wäre, das absolut menschenverachtende NS-System zu verhindern.

Auch die – mehr oder weniger erfolgreichen – Versuche, Antworten zu finden auf all diese Fragen sind uns – meine Damen und Herren – bekannt. Sie fallen in dem einen oder anderen Fall unterschiedlich aus, doch münden alle Überlegungen in der Feststellung, dass es nach den Erfahrungen, die Sie. Herr Pfarrer Scheipers, neben Millionen anderer am eigenen Leib erfahren mussten, darum gehen muss, alles daranzusetzen, zu verhindern, dass sich die Errichtung von Staatsformen, unter denen Sie gelitten haben, wiederholen.

Höchste Aufmerksamkeit, ein Höchstmaß an Sensibilität ist von uns allen gefordert, von jedem von uns und das – so verstehe ich es – ist eine der Botschaften der von Ihnen in autobiographischer Form beschriebenen „Gratwanderungen“.

Ich bin der Auffassung, dass Ihr Buch, Ihr Lebensbericht, zur rechten Zeit erscheint.

Die allgemeinen Lebensumstände ändern sich in immer kürzeren Abständen – nehmen Sie beispielsweise nur die familiären Strukturen -, die allgemeine wirtschaftliche Situation ist angespannt. Ständiges Wachstum, an das wir uns alle nur zu gern gewöhnt haben, gibt es zur Zeit nicht. Notwendige Reformen in den verschiedensten Lebensbereichen lassen sich aus einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Gründe nicht oder noch nicht oder zumindest nicht in der gebotenen Kürze umsetzen. Im Blick auf die Zukunft macht sich bei vielen Menschen eine gewisse Sorge breit, die bisweilen und gar nicht so selten zu Zukunftsängsten führt. Ängste, die sich dann wiederum in Aggressionen und Brutalität entladen. Sie alle, meine Damen und Herren, kennen die Bilder der zurückliegenden Monate und Jahre. Ihr Buch, Herr Pfarrer Scheipers, Ihre Autobiographie, trägt einerseits zu dem notwendigen Problembewusstsein bei. Es ist –weil Sie als Priester zwei Diktaturen widerstanden und sie überstanden haben –aber auch ein ermutigender Lebensbericht.

Sie haben Ihre seelsorgerischen Aufgaben immer mit großem Engagement, insbesondere auch mit einer solchen Ausstrahlung und Herzenswärme wahrgenommen, dass auch Menschen, die für Glaubensfragen keine oder nur ein geringes Interesse zeigten, aufhorchten und Betroffenheit im positiven Sinne nicht verbergen konnten. Wir wissen dies auch und vor allem aus eigener Erfahrung in der Begegnung mit Ihnen.

Wer, Herr Pfarrer Scheipers, das Glück hat, Sie zu kennen, kennt einen sehr belesenen Mann mit einem gar bewundernswerten Gedächtnis, einen liebenswerten und stets hilfreichen Menschen, einen engagierten Verkünder der „frohen Botschaft“, wie das Evangelium ins Deutsche übersetzt heißt, aber auch einen aktiven Menschen, den nicht nur Verwandtschaft mit seiner Ochtruper Heimat verbindet, sondern bis zum heutigen Tage auch viele gute Freunde.

Herr Pfarrer Scheipers, die Stadt Ochtrup kann stolz darauf sein und sie ist es, einen solchen Bürger in ihren Mauern zu wissen, jemand, der stets um die Notwendigkeit des Kompromisses wusste, allerdings kompromisslos seiner Berufung folgte, wenn es galt, gegen staatliche Willkür und gegen das Schweigen der Massen die Stimme zu erheben und bereit zu sein, auch die schlimmsten Folgen persönlich zu tragen. Für uns alle, vor allem auch für die, die z.B. für diese Stadt Verantwortung tragen, sind Sie damit eine höchst wertvolle Orientierungshilfe, vor allem auch, wenn es darum geht, sich immer wieder bewusst zu machen, dass Entwicklungen nicht einfach nur geschehen, sondern dass sie beeinflussbar sind und auch gezielt gesteuert werden können. Positiv wie negativ.

Herzlichen Dank für diese Hilfe, Herr Pfarrer Scheipers.

Meine Damen und Herren, die heutige Ehrung von Herrn Pfarrer Scheipers bliebe lückenhaft, würde man nicht auch seine Schwester, Frau Anna Schweppe, hierin einbeziehen.

Sie, sehr geehrte Frau Schweppe, waren es, die durch ihr mutiges Vordringen bis zum Reichsicherheitshauptamt in Berlin ihren Bruder vor dem Tod im KZ Dachau retteten. Auch Ihnen möchte ich im Namen der Bürgerschaft der Stadt Ochtrup herzlich gratulieren und Ihnen ebenfalls Dank sagen für das Vorbild, das Sie uns allen damit gegeben haben.

Für Sie beide, Herr Pfarrer Scheipers, Frau Schweppe, haben wir als äußere Zeichen des Dankes zwei Geschenke mitgebracht.

Ihnen, Frau Schweppe, möchte ich ein Buch überreichen mit dem Titel „Kirchenkampf oder Katholikenverfolgung“. Es ist ein Beitrag – so auch der Untertitel – zum gegenseitigen Verhältnis von Nationalsozialismus und christlichem Bekenntnis, ein Verhältnis, das Sie am eigenen Leib kennengelernt haben, als Sie bereit waren, für Ihren Bruder Ihr eigenes Leben auf´s Spiel zu setzen.

Herr Pfarrer Scheipers, das Geschenk für Sie trägt Ihrem eigenen Wunsch Rechnung, Ihnen – wenn überhaupt – dann eine finanzielle Zuwendung für die vielfältigen seelsorgerischen Aufgaben im Bistum Meißen/ Dresden zukommen zu lassen.

Abschließend wünsche ich Ihnen beiden für die Zukunft alles Gute. Von einem wohlverdienten Ruhestand möchte ich vor allem bei Ihnen, Herr Pfarrer Scheipers, nicht sprechen. Es entspräche nicht den Tatsachen.

Wir alle sehen Sie fast täglich im Stadtbild Ochtrups auf Ihrem Sportfahrrad, und zwar mit hoher, wenngleich sicher immer noch mit zulässiger Geschwindigkeit, eine Situation, die nicht zuallererst das Erleben eines verdienten Ruhestandes zum Ausdruck bringt, obwohl Sie beide – Sie beide – es verdient haben.

Deshalb einfach alles Gute.

 

 

Die Ansprache des Pfarrer Scheipers in Hubertusburg/ Wermsdorf am 4.10.1979 hatte folgenden Wortlaut:

„Verehrter Herr Bürgermeister der Gemeinde Wermsdorf,

lieber Mitbruder Christoph Eichler,

sehr verehrte Damen und Herren,

liebe Schwestern und Brüder!

Ein doppelter Anlass hat uns zusammengeführt.

Die Kirchengemeinde Hubertusburg/ Wermsdorf feiert das 250jährige Jubiläum ihrer Pfarrkirche St. Hubertus. Und die politische Gemeinde Wermsdorf hat diese Gelegenheit wahrgenommen, in Hinblick darauf, dass mein Leidensweg unter dem NS-Terror hier seinen Anfang nahm, mir den Titel „Ehrenbürger von Wermsdorf“ zu verleihen.

Ich bin glücklich, dass ich in der Lage bin, trotz meines hohen Alters Ihnen, sehr verehrte Vertreter der Gemeinde Wermsdorf, heute dafür persönlich danken zu können.

Ehrenbürger sind zumeist Leute, die sich um die betreffende Gemeinde oder Stadt verdient gemacht haben. Das kann bei mir nicht der Fall sein. Denn damals war ich- zwar nicht so schlimm wie die Juden oder die Polen – doch als Geistlicher diskriminiert und ohne Einfluss auf das öffentliche Leben.

Eine Episode zu Beginn des Krieges zeigt das deutlich: Damals wurde mir mein Kraftfahrzeug zwangsweise stillgelegt. Nach Ablehnung meiner Beschwerde durch die Kreisbehörde Oschatz – damals „Amtshauptmannschaft“ – wandte ich mich an die Bezirksbehörde Leipzig. Von dort bekam ich die Ablehnung schriftlich mit der Begründung: „Der Beschwerdeführer benutzt das Fahrzeug, um eine dem Nationalsozialismus widersprechende Weltanschauung zu verbreiten“. Nach dem Krieg aber hat mich legitimerweise mein Bischof für andere Aufgaben außerhalb von Wermsdorf bestimmt.

Ehrenbürger gibt es jedoch auch ohne besondere Verdienste um die jeweilige Gemeinde oder Stadt. Ich kenne in meiner Heimat etliche, die gerade nur zufällig in der Stadt geboren waren, später nie dahin zurückkehrten und trotzdem Ehrenbürger ihrer Geburtsstadt wurden aufgrund anderer Leistungen auf kulturellem oder wissenschaftlichem Gebiet. Derartige Leistungen kann ich zwar nicht vorweisen. Aber ich darf doch in Anspruch nehmen, dass ich auf meine spezielle Weise, durch die Art meiner beruflichen Tätigkeit, Widerstand geleistet habe gegenüber dem unmenschlichen System der damaligen Zeit.

Christlicher Widerstand gegen den Nationalsozialismus wird heute oft missverstanden und abgewertet als Verteidigung sogenannter Machtpositionen der Kirche. Natürlich zielten die Aktionen der damaligen Machthaber auf eine Schwächung der Kirchen, aber doch mit der eindeutigen Absicht, dadurch den christlichen Glauben in Deutschland völlig auszurotten. „Man ist entweder ein Christ oder ein Deutscher. Beides kann man nicht sein“, sagte Hitler, nicht öffentlich, um das Volk zu täuschen, sondern in privaten Gesprächen.

Ich war hier jedenfalls machtlos und hatte auch keinerlei Macht zu verteidigen. Mein Widerstand richtete sich vor allem gegen die Unmenschlichkeit, die sich deutlich zeigte in der Behandlung der Zwangsarbeiter. Der einzige Lichtblick in ihrer trostlosen Situation war der Besuch des Gottesdienstes am Sonntag in Hubertusburg. Das war ein Stück Heimat für sie, und genau das wurde ihnen verboten. Polen und Deutsche durften nicht gemeinsam Gottesdienst feiern. Mein Versuch, ihnen zu helfen durch Sondergottesdienste nur für Polen, musste scheitern, weil meine Verhaftung offenbar schon beschlossene Sache war.

Hier in Wermsdorf also war sozusagen die Initialzündung dafür, dass sich die Unmenschlichkeit auch gegen meine Person richtete, und sich auswirkte in einer schrecklichen KZ-Haft von 1940 bis 1945.

Ich bin weit davon entfernt, irgendwelche Anklagen zu erheben. Denn gerade als Priester weiß ich um die Schwächen der Menschen und habe denen, die an mir schuldig wurden, längst verziehen.

Außerdem ist mir bewusst, dass sich in jeder Diktatur der Terror nicht nur gegen die Gegner des Systems richtet, sondern oft auch gegen die eigenen Parteigenossen, und ich werde mich hüten, Menschen nur nach äußeren Indizien zu beurteilen oder gar zu verurteilen.

Wenn ich nun, nach über einem halben Jahrhundert, nach Wermsdorf zurückkomme, um die Auszeichnung als Ehrenbürger entgegenzunehmen, packen mich wehmütige Gefühle. Ich sah zum Beispiel das Ortsschild „Mahlis“. Mein Besuch bei den dortigen Zwangsarbeitern ist der Anlass zu meiner Verhaftung gewesen. Denn die Polen waren ja in meinen Augen genauso Söhne und Töchter Gottes wie die Deutschen.

Beim Anblick des Schlosses Hubertusburg denke ich an die Patienten der Heil- und Pflegeanstalt, die damals nach und nach durch Hunger und Vergasung umgebracht wurden.

Ich denke an die Umwandlung des Schlosses in ein Lager für Wolhyniendeutsche, durch die uns heimtückischerweise die Pfarrkirche geraubt wurde. Denn angeblich durften diese Deutschen, die aus Russland „heim ins Reich“ kamen, keinen Kontakt mit ihren deutschen Volksgenossen haben. Warum eigentlich nicht?

Ich denke aber auch an den glücklichen Moment im Jahre 1947, als uns die Kirche endlich zurückgegeben wurde und ich den ersten Gottesdienst wieder in meiner einstigen Pfarrkirche halten durfte.

Liebe Festgemeinde!

Die Verleihung des Titels „Ehrenbürger von Hubertusburg/ Wermsdorf“ sehe ich an als ein Zeichen der Wiedergutmachung und meiner Rehabilitierung.

Und dafür danke ich der Gemeinde Wermsdorf von ganzem Herzen.

So sehr ich mich nun freue über diese Ehrung, sie kann aber nur ein schwaches Abbild sein von der großen Ehre, die mir dadurch zuteil geworden ist, dass ich teilhaben durfte am Leiden unseres Herrn Jesus Christus.

Bei der Einlieferung ins KZ Dachau rief der Kommandant uns zu: „Ihr seid ausgestoßen aus der Volksgemeinschaft. Ihr seid hier ehrlos, wehrlos und rechtlos.“

Um der Gerechtigkeit willen und wie Christus am Kreuz ausgestoßen, ehrlos, wehrlos und rechtlos zu sein; das ist für einen Christen höchste Ehre. Diese Ehre für Menschen, die nur diese vergängliche Welt kennen, total unverständlich – mündet einmal in die Ehre, die Gott allen versprochen hat, die ehrlich mitbauen an einer menschenwürdigen Welt.“

 

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